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Im Jahr 2022 ging die blauen Küche auf Rädern nach einer langen Pause endlich wieder auf Deutschland-Tour. Auch in diesem Jahr mit an Bord: Drei neue Gesichter und ein altbekanntes. Die neue Crew besteht aus Cäthe, Alex, Esther und Firas, der schon bei der Tour 2018 dabei war.

Anders als in den vergangenen Jahren sollte die Crew keine neuen Standorte erschließen, sondern bestehende Standorte des Über den Tellerrand-Netzwerkes in halb-ländlichen und vorstädtischen Gebieten stärken. Das eröffnete den lokalen Communities die Gelegenheit, über die schwierigen Erfahrungen der vergangenen Jahre zu reflektieren und den Auswirkungen von Covid-19 entgegenzuwirken. Inspiriert von der Idee eines Kompasses zu einem besseren Wir, wurden die Satelliten von Über den Tellerrand auf diese Weise im Norden, Osten, Süden und Westen (wieder) aktivieren.

Die vier Standorte der Kompass-Tour 2022 waren Hof(S), Schwedt/Oder (O), Grefrath (W) und Rendsburg (N).

Die Containercrew 2022: Esther, Firas, Cäthe und Alex (v.l.n.r.)

Hof
09. Mai bis 12. Juni 2022

Grefrath
13. Juni bis 17. Juli 2022

Schwedt
18. Juli bis 21. August 2022

Rendsburg
22. August bis 25. September 2022

 

Hof (Saale)
Grefrath
Schwedt/Oder
Rendsburg

Die Auswirkungen von Corona auf lokale Communities

Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen in den vergangenen Jahren sehr zugesetzt. Die Belastung durch soziale Isolation hat sich vor allem auch für diejenigen verschärft, die bereits vor der Pandemie davon betroffen waren, darunter viele Menschen mit Flucht- oder Zuwanderungsgeschichte. Gleichzeitig waren Begegnungsinitiativen wie von Über den Tellerrand damit konfrontiert, dass Aktivitäten in den digitalen Raum verlegt wurden oder gar nicht mehr stattfinden konnten. Dadurch hatten lokale Communities große Mühe, nicht zu zersplittern.

Die Kitchen on the Run-Tour 2022 knüpfte genau da an. Der Küchencontainer bot insbesondere ehemaligen und neuen Ehrenamtlichen sowie lokalen Initiativen und Netzwerken im Bereich des sozialen Zusammenhalts und der Integrationsarbeit einen neuen Anlaufpunkt, um ihre Aktivitäten nach der Covid-19-Pandemie wieder aufzunehmen. Als offener Raum der Begegnung für Menschen aller Altersgruppen mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Erfahrungen, wurde er zu einem lebendigen Labor für den Austausch von Ideen und ein Raum für die gemeinsame Erarbeitung eines Kompasses für ein besseres Wir. 

Chiara in Action am Container
Emotionale Kartierung in Schwedt
Emotionale Kartierung in Grefrath

Begleitforschung 2022

Um besser herausfinden und anwenden zu können, was es für einen gelungenen Community-(Wieder)Aufbau braucht, wurde die Containertour 2022 erstmals in der Kitchen on the Run-Geschichte wissenschaftlich begleitet.

Die Sozial- und Kulturanthropologin Chiara Garbellotto besuchte den Container an allen vier Standorten für etwa eine Woche. Dabei führte sie teilnehmende Beobachtung, informelle Gespräche und Interviews mit Teilnehmenden und Mitgliedern der Ehrenamt-Gruppen durch. An drei von vier Standorten bot sie außerdem einen Workshop aus dem Bereich der Flash-Ethnography an. Mithilfe von emotionaler Kartierung lernten die Workshop-Teilnehmenden, welche unterschiedlichen Emotionen verschiedene Orte in der Stadt bei Menschen hervorrufen können, je nachdem, was diese dort erlebt hatten oder damit verbinden. Dies war eine einfache Methode, sich dem Thema Unterschiede  spielerisch zu nähern

Am Ende fasste sie ihre Ergebnisse in einem Handbuch unter dem Titel “Ein Kompass zu einem besseren Wir – Einladung zur ständigen Hinterfragung für bestehende und neue Communities” zusammen. 

Durch ihre Forschung konnte Chiara viele Chancen und Herausforderungen ausmachen, die beim Community-(Wieder)Aufbau eine zentrale Rolle spielen, zum Beispiel die Organisations-Struktur und Hierarchien im ehrenamtlichen Team, die unterschiedlichen sozialen Positionen der Team-Mitglieder auf der diese beruhen, die Wahl, Gestaltung und Möglichkeiten einer eigenen Küche als Ort der Begegnung und der gelungene Ablauf eines Kochabends, sodass Unterschiede nicht ignoriert, sondern wertschätzend anerkannt werden. 

Neben Einblicke in den Ablauf und die Ergebnisse der Forschung, beinhaltet das Handbuch Arbeitswerkzeuge in Form von Reflexionsfragen und Methoden zur Auseinandersetzung mit diesen Fragen. Diese Werkzeuge können sowohl von Über den Tellerrand-Satelliten als auch von anderen Communities genutzt werden. Damit lädt Chiara die Gruppen dazu ein, sich ständig kritisch zu hinterfragen, auf eine tiefere Gesprächsebene zu kommen und dadurch zu einer stärkeren Community zusammenzuwachsen.